Gautschen

Das Gautschen der Junggehilfen

 

Mittelalterlicher Brauch im Zeitalter der Technik

Text: Ludger Wrzesinski – Fotos: Dieter Tuschen
(Aus Kreis-Heimatkalender 1994)

Das Gautschkollegium

Das Gautschkollegium

Die Tradition des Gautschens kann bis zu den Anfängen des 19. Jahrhunderts zurückverfolgt werden. Dieser Brauch ist in Lippstadt bis heute durch den Ortsverein der Industriegewerkschaft Medien geblieben und wird nicht nur dort geschätzt. Das Wort Gautschen ist der Fachsprache der Papiermacher entnommen. Dort werden bei der Herstellung von Papier Bahnen zusammengepresst, um das Wasser wegzubringen, was gautschen heißt. Das Gautschen der Junggehilfen als Handwerksbrauch ist aber nur bei den Buchdruckern bekannt. Hier ist es der feierliche Taufakt, mit dem der Jünger Gutenbergs in den ehrbaren Stand der Gesellen und Meister der Stadt Lippstadt aufgenommen wird.

Die Wasserdusche

Alle zwei bis drei Jahre tritt das Lippstädter Gautschkollegium in Aktion. Beim traditionellen Johannesfest fühlt sich der Teilnehmer in frühere Jahrhunderte versetzt. Dieser Bericht ist vom 25. September 1993.

In wohlgesetzten Worten erklärt Gautschmeister Johannes Spiekermann den Kornuten (Junggehilfen) die Pflichten und erinnert dabei auch an übernommene Rechte, die im Mittelalter Kaiser Friedrich III. den Buchdruckern verliehen hat. Diese Privilegien waren zur damaligen Zeit echte Sonderrechte. So durfte z. B. ein Schriftsetzer, der setzen und drucken konnte, während der Arbeit und auch in der Öffentlichkeit einen Schweizer Degen tragen. Auf alten Stichen sieht man häufig einen dieser „Schwarzkünstler“ mit federgeschmückten Barett und „umgeschnallt“ am Setzkasten stehend abgebildet, und noch heute bezeichnen sich alte Schriftsetzer, die auch drucken können, traditionsbewusst als Schweizerdegen. Im Wandel der Technik verschwinden aber die Berufsbilder von Buchdruckern und Schriftsetzern. Heute werden als Jünger Gutenbergs Berufe wie Offsetdrucker, Druckformhersteller, Fotosetzer oder auch Reprofotografen gehandelt.

Das Wasserbad

Nach der feierlichen Einleitung der Zeremonie im Saal erfolgt der Auszug der Gesellschaft zum Wasserbecken nach draußen. Auch hierbei hält man an alten Zunftbräuchen fest: zuerst gibt es die Strafpredigt mit dem Verlesen der „Sünden“ aus der Ausbildungszeit. Währenddessen hat man den Kornuten mit sanfter Gewalt auf einen Stuhl gesetzt, auf dem ein nasser Schwamm auf ihn wartet. Das Kommando dazu gibt der Schwammhalter Werner Wiechert mit dem Spruch: „Packt an! Lasst seinen corpus posteriorum fallen auf diesen nassen Schwamm, bis triefen beide Ballen. Der Durst’gen Sell‘ ein Sturzbad gebet obendrauf – das ist dem Sohne Gutenbergs die allerbeste Tauf.“

Die Gautschgesellschaft

Die Gautschgesellschaft

Für das Amt des „Ersten und zweiten Packers“ wurden mit Reinhard Wille und Reinhard Goddek besonders große und kräftige Kollegen ausgewählt, denn es ist manchmal nicht so einfach, den Hauptteil der „Taufe“ zu vollziehen: den corpus des Kornuten in das Fass zu stecken, und zwar so lange, bis die dann folgenden kräftigen Güsse aus Eimern die Lehrlingssünden abgewaschen haben.

Nachdem die Kornuten die Garderobe gewechselt haben, erfolgt im Saal die Verlesung und Überreichung der Gautschbriefe.

 

 

Die Gautschparty

Unter dem Menüpunkt Video gibt es einen Film vom „Öffentlichem Gautschen in Geseke“ von 2017!

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